Rekomposition

Die Geschichten, die ich mit meinen Arbeiten erzähle, zeugen vom Werden, Vergehen und Wiedererstehen von Fragmenten unserer Zivilisation und der Natur.

Besonderes Interesse hege ich für die unscheinbaren, kleinen und kleinsten Dinge. Oft werden sie nur als Teil eines großen Ganzen gesehen. Doch bei genauerem Hinsehen bieten die kleinen Dinge eine ganz eigene Formensprache.

Aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgefallen, werden sie aufgehoben und in meinen Schmuckobjekten in neue Zusammenhänge gesetzt. Vergleichbar mit der Arbeit einer Archäologin und Ethnografin, die in mühevoller Kleinarbeit Relikte sammelt und zu einem Bild zusammensetzt, entstehen bei mir - im Unterschied zur reinen Rekonstruktion - neue Bilder. Eine faszinierende Arbeit!

Bei der Verwendung von Fragmenten und Materialien kommt es vor, dass ich auf gesellschaftlich definierte Gegensätze stoße:

Wertvoll - wertlos, teuer - billig, glänzend - matt, alt - neu, edel - banal, kurzlebig - ewig.

Eine heile, geglättete, ästhetisch makellose Welt zu erschaffen ist nicht mein Ziel. Durch meine Wahrnehmung der Welt entsteht eine inspirierende Gleichzeitigkeit der Extreme.

Unvoreingenommenheit ist für meine Arbeit unerlässlich. Eine Unvoreingenommenheit dem Material und dem vermeintlichen Wert eines Materials gegenüber. Das erlaubt mir eine spielerische Suche und die Freiheit, die Dinge neu zu konfigurieren. So entstehen für mich neue Schlussfolgerungen.

Am Ende steht jedes Mal das Glücksgefühl, ein Artefakt erschaffen zu haben, das alt und gleichzeitig neu ist. Darin zeigen sich – sonst meist verborgene - Zusammenhänge zwischen den Zeitaltern, zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen inneren Assoziationen und äußerer Gegenständlichkeit.

Über den Nutzen eines Gegenstandes für diese Rekompositionen entscheiden seine bisherige Existenz und seine ästhetische Erscheinung: der Fund eines gründlich ausgeblichenen Knochens oder eines weggeworfenen Kronkorkens erfreut und fasziniert mich genauso wie eine am Strand entdeckte Platine, eine Muschel oder ein Stück Treibholz.

Meine Rekompositionen sind wie Vergewisserungen, Bestätigungen für meine Vision einer fernen Kultur, in der die Dinge des Lebens anders genutzt worden sind. Alles Material, jeder Gegenstand hat einen Wert, der sich aus der Geschichte oder der subjektiven Bedeutung ergibt, ganz unabhängig vom Härtegrad oder von Rohstoffpreisen an den Weltmärkten.

Immer noch empfinde ich tiefe Bewunderung für ein Stück Glas mit Blessuren aus seinem bisherigen Dasein, für ein Samengehäuse, für einen Knopf oder ein Stück Metall aus einem nicht näher bekannten Gerät.

Daraus entsteht ein beglückendes Gefühl der Verbundenheit zur Welt und zu den Menschen, zum Leben selbst!